Vierte Bundeswaldinventur: Leider absehbar

| Autorin: Diana Schreiner Diana Schreiner

Dass deutsche Wälder nachweislich keine Kohlenstoffsenken mehr sind, hat sich in den letzten Jahren bereits angedeutet. In Zeiten von Klima- und Biodiversitätskrise ist dies eine fatale Entwicklung und seit der vierten Bundeswaldinventur nun bittere Gewissheit.

Anfang der Woche hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die vierte Bundeswaldinventur vorgestellt. Diese muss laut Gesetz mindestens alle zehn Jahre stattfinden und liefert u.a. Informationen zur Waldfläche, Schäden an Bäumen sowie zur Holznutzung. 

Der Bericht für den Zeitraum 2012 bis 2022 zeigt, dass sich der deutsche Wald erstmals seit Jahrzehnten von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle entwickelt hat. Cem Özdemir erklärt es wie folgt: „Das bedeutet, der Verlust an Biomasse ist durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall größer als der Zuwachs an lebender Biomasse“. 

Dass Klimaschäden wie Stürme, Dürren und Käfer unseren Wäldern so mächtig zugesetzt haben, ist aber vor allem auf die Art und die Intensität der Bewirtschaftung zurückzuführen. Zu lange wurde auf Monokulturen im Wald gesetzt. Und jetzt? 

Die Fichte als mahnendes Beispiel

Die Fichte war lange Zeit die häufigste Baumart in Deutschland – wurde nun aber von der Kiefer abgelöst. Warum? Viele Wälder bestanden zwecks Holzproduktion ausschließlich aus Fichten, und diese wurden an Standorten gepflanzt, an denen sie natürlicherweise gar nicht vorkommen. Diese Monokulturen sind anfälliger für Schäden; es gingen 17% der Fichten-Wälder verloren. 

Jetzt ist es allerhöchste Zeit, aus dieser Art der Bewirtschaftung zu lernen: Wir sollten nicht nur auf naturnahe, anpassungsfähige Waldökosysteme setzen, die möglichst nachhaltig als Kohlenstoffsenke fungieren können. Es braucht ebenso eine reduzierte und möglichst langfristige Nutzung von Holzprodukten, um eine Übernutzung der Wälder zu vermeiden. Vor allem in den nächsten Jahren ist es wichtig, alte Laubholzbestände als wertvolle Kohlenstoffspeicher und für die Biodiversität bedeutende Ökosysteme zu schonen.

Konsequente Unterstützung von Erst-Aufforstungen 

Insgesamt ist die Waldfläche in Deutschland seit 2012 geringfügig um 15.000 Hektar gewachsen. Jeder neu geschaffene Wald ist ein wichtiger Baustein in Zeiten der Klimakrise – denn mit jeder Erstaufforstung entsteht ein zusätzlicher langfristiger Kohlenstoffspeicher. Bäume und Wälder nehmen während ihres Wachstums CO₂ aus der Atmosphäre auf und speichern es langfristig; in ihren Blättern und im Stamm, sowie in Wurzeln und Boden. 

Das gilt aber nur, solange sie gesund sind. Deshalb ist es wichtig, bei der Begründung von Wäldern das gesamte Ökosystem in den Blick zu nehmen und sich nicht ausschließlich auf die holzwirtschaftliche Nutzung zu fokussieren. So setzen wir beispielsweise bei unseren Erstaufforstungsprojekten in Deutschland auf Basis der heimischen Natur auf vielfältige Laubmischwälder und etablieren artenreiche Waldsäume. 

Reduktion von Emissionen in anderen Sektoren 

Seit der Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) sind bestimmte Ministerien nicht mehr dazu verpflichtet, ihre sektoralen Ziele und Zahlen offenzulegen – oder Sofortprogramme zu starten, wenn die Klimaziele in ihrem Bereich verfehlt werden. Heißt: Verfehlt das Verkehrsministerium die Ziele, so kann es dies mit dem Erfolg eines anderen Ministeriums ausgleichen.

Diese Veränderung der Gesetzgebung war natürlich schon vor der Veröffentlichung der Bundeswaldinventur ein schlechtes Signal. Mit der heutigen Gewissheit, dass der deutsche Wald uns aktuell im Kampf gegen die Klimakrise nicht mehr wie gewünscht unterstützen kann, ist es nun dringend notwendig, dass sich alle Ministerien ihrer Verantwortung stellen, ambitionierte Ziele formulieren und diese dann auch erreichen.

Jetzt erst recht: Neues Waldgesetz

Immer wieder haben wir an an dieser Stelle sowie auf weiteren Kanälen auf die Notwendigkeit eines starken neuen Waldgesetzes aufmerksam gemacht. Während erste Referentenentwürfe bereits kritisiert werden, zeigt die Bundeswaldinventur mit aller Wucht auf, dass es eine echte Novelle braucht. 

Leider sind nachweislich schädliche Waldbaupraktiken bis heute möglich und üblich – hier gibt es zu wenig rechtliche Rahmenbedingungen, um diesen Praktiken entgegenzuwirken. So sollten bspw. Kahlschläge, egal welcher Größe, in den Wäldern konsequent verboten; mindestens aber genehmigungspflichtig werden. Es benötigt insgesamt einen nachhaltigeren Umgang durch eine angepasste Gesetzgebung. 

Schließlich ist es unser aller Interesse, dass uns in Zukunft intakte und gesunde Waldökosysteme erhalten bleiben.