Klimaschutz und Gerechtigkeit: Pionierin Elsa Gonzalez im Interview

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Elsa Gonzalez ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin des Baumpflanzprojekts in Nicaragua.

Seit über zehn Jahren ist Elsa Gonzalez als Mitbegründerin und Geschäftsführerin Teil des Baumpflanzprojekts in Nicaragua, das PRIMAKLIMA durch Spenden unterstützt. Kern des Projekts ist es, Bäume zu pflanzen und damit die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern – während die neuen Wälder CO2 aus der Luft filtern. Das Programm umfasst mittlerweile eine große Community aus Farmer:innen, forstliche Mitarbeiter:innen und Projektleiter:innen, die die Arbeit im Projekt aktiv mitgestalten. Gemeinsam kämpfen sie durch das Pflanzen und die Pflege der Bäume jeden Tag gegen die Klimakrise – und schützen so unser aller Lebensgrundlagen.

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Dass Elsa Gonzalez als eine der wenigen Frauen im Projekt seit den Anfängen mit dabei ist – und von Beginn an eine Führungsposition übernimmt – ist nicht so selbstverständlich, wie es vielleicht klingt. Denn in Lateinamerika, und damit auch in Nicaragua, sind konservative Rollenvorstellungen zwischen Frauen und Männern noch immer stark vorherrschend – und nicht selten mit Unterdrückung und Gewalt gegenüber Frauen verbunden. In den letzten Jahren wurden soziale und feministische Bewegungen in Nicaragua aber immer präsenter und erfolgreicher. Und in diesem Zuge auch Gesetze verabschiedet, die Frauen vor den unterschiedlichsten Formen der Gewalt schützen und ihre Rechte stärken sollen.

Darauf zielt auch eines der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen ab: das SDG 5 Geschlechtergerechtigkeit. Es legt den Fokus auf Chancengleichheit und das Recht auf Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen – und ist damit eins von insgesamt zwölf SDGs, zu denen das Baumprojekt in Nicaragua aktiv beiträgt.

Und was hat das genau mit Elsa zu tun? Sie war von klein an mutig und selbstbewusst; heute ist sie ein wichtiges Vorbild. Wenn sie ihre eigenen Erfahrungen mit anderen Teilnehmer:innen und Interessierten teilt, trägt sie dazu bei, veraltete gesellschaftliche Rollenbilder aufzubrechen. Lebensrealitäten wie Elsas schärfen hoffentlich das Bewusstsein aller, dass auch Mädchen und Frauen große Träume haben. Und diese in die Tat umsetzen.

Warum Elsa nicht nur in diesem Bereich eine Pionierin ist, zeigt das sehr persönliche Gespräch zwischen Eric Warner (Taking Root) und Elsa Gonzalez.

 

 

Über die Arbeit im Projekt

Was genau machst Du für das Projekt?

Elsa Gonzalez: Ich verwalte die Programmlogistik und pflege enge Beziehungen zu den forstlichen Mitarbeiter:innen vor Ort, um die Ziele unseres Programms zu erreichen. Außerdem arbeite ich mit den anderen Projektleiter:innen zusammen, um Strategien zu entwickeln, die unser Wiederaufforstungsprogramm voranbringen.

 

Wann hast Du angefangen für das Projekt zu arbeiten?

Elsa Gonzalez: Ich bin seit der Gründung im Jahr 2009 mit dabei und arbeite seit April 2010 im Feld, vor Ort.

 

Wie begann deine Mitarbeit am Programm?

Elsa Gonzalez: Als ich an der Universität war, traf ich Elvin Castellón (Leitender Geschäftsführer des Programms) und er erzählte mir, dass sie die Idee hatten, eine Vereinigung für Aufforstungen zu gründen, um Projekte zu schaffen und Arbeitsplätze zu generieren – für diejenigen, die keine Arbeitsmöglichkeiten hatten. Ich war eine der wenigen Frauen, die von Anfang an dabei waren und wurde eine der Gründerinnen.  Ich arbeitete am gesamten Prozess der Gründung und Strukturierung der Organisation mit und wählte den Standort unseres ersten Büros in San Juan de Limay aus. Im Laufe des selben Jahres begann ich, als Vermittlerin von Informationen vor Ort im Feld zu arbeiten. Und von da an habe ich nicht mehr damit aufgehört.

 


„Schon als Schülerin träumte ich davon, in kommunalen Umweltorganisationen mitzuarbeiten und Vorträge zu halten, um Schüler:innen für die Bedeutung des Umweltschutzes zu sensibilisieren.“


 

Was macht Dir an der Arbeit am meisten Spaß?

Elsa Gonzalez: Meine Arbeit hat eine positive Auswirkung auf den Schutz der Umwelt. Sie ermöglicht es mir, die Bereiche Umwelt, Technologie und Ökologie zu kombinieren – was sonst niemand in unserem Land tut, was uns als Organisation zu Pionieren und Vorbildern auf dem Gebiet der Reduzierung und Einbindung von CO2 macht.

 

Über die Arbeit mit den Farmer:innen

Warum arbeitest Du gerne mit den Farmer:innen zusammen?

Elsa Gonzalez: Die Arbeit mit den Farmer:innen gibt mir die Möglichkeit, mich mit ihren Erfahrungen auseinanderzusetzen, gemeinsam zu lernen, Geschichten darüber zu hören, wie die Wälder vor dem Klimawandel aussahen, und zur Verbesserung ihrer Farmen beizutragen, indem wir ihnen eine alternative Sichtweise auf ihr tägliches Leben bieten.

 

Hast Du irgendwelche besonderen Erinnerungen an die Farmer:innen, mit denen Du zusammengearbeitet hast?

Elsa Gonzalez: Die Zeichen der Zuneigung. Das Lächeln der Familien, wenn sie Zahlungen und Beschäftigungsmöglichkeiten erhalten. Die Hoffnung, den neuen Generationen eine bessere Zukunft für ihre Familien zu hinterlassen. Die Tatsache, dass eine Familie jetzt Wasser hat, während sie früher keins hatte. Zu sehen, wie sich die Böden auf den Parzellen der Farmer:innen die Fruchtbarkeit zurückerobern, die durch Erosion verloren ging, als es keine Bäume gab. Es ist, als ob alle teilnehmenden Farmer:innen ein Teil unserer Familie werden – und das sehen sie auch so.

 


„Die Begeisterung, die man empfindet, wenn man weiß, dass man Teil dieser kleinen Veränderungen ist, lässt sich nicht beschreiben.“


 

Wie fühlen sich die Farmer:innen, die im Rahmen des Projekts Bäume pflanzen?

Elsa Gonzalez: Am Anfang, weil es für die Farmer:innen etwas Neues ist, gibt es einige Zweifel und Unsicherheiten. Mit der Zeit, wenn sie die Entwicklung der Pflanzungen sehen, werden alle Zweifel ausgeräumt und die Farmer:innen selbst werden diejenigen, die für die Arbeit und die Unterstützung des Projekts werben und andere zur Teilnahme motivieren.

 

Über die Wälder


Als Kind bin ich gerne auf Bäume geklettert, um dort zu lesen, auch wenn ich manchmal dafür Ärger bekommen habe. Doch die Bäume waren meine Lieblingsverstecke.“


 

Hast Du eine Erinnerung an einen Baum oder einen Wald, die für Dich von Bedeutung sind? Was ist dort passiert?

Elsa Gonzalez: Der Wald von Horacio Suarez bedeutet mir sehr viel, denn obwohl es nicht der erste Wald war, an dem ich mitgewirkt habe, ist es derjenige, bei dem eine ganze Gemeinschaft zusammenkam um ihn zu pflanzen. Im Laufe der Jahre hatten die umliegenden Familien so viel Mitgefühl dafür, wie schwer es für sie [die Familie Suarez] war, für ihr Heim zu sorgen. Ich hätte nie gedacht, dass wir so schnell eine Veränderung erleben würden.

 

Welcher ist Dein Lieblingsbaum und warum?

Elsa Gonzalez: Ich glaube, ich habe zwei. Einer ist der Genizaro. Man sagt, dass ein guter Baum viel Schatten spendet und dauerhaft Blätter trägt, wodurch er immer Schutz bieten kann. Es ist, als ob man sich vor der Sonne versteckt und er einen umarmt.
Der andere ist der Mandagual – ein Baum, der schnell wächst und es den Farmer:innen ermöglicht, ihr Einkommen mittelfristig zu sichern. Er regeneriert sich nach dem Schnitt von selbst und kann den Strapazen der Trockenheit einige Zeit lang trotzen. Er hat schöne Farben und ist leicht zu handhaben.

 

Über die letzten zehn Jahre

Was sind Deiner Meinung nach die größten Erfolge von des Projektes in den letzten zehn Jahren?

Elsa Gonzalez: Die Positionierung als das Aufforstungsprojekt Nummer eins in Nicaragua. Die nationale und internationale Wirkung, die hohe Glaubwürdigkeit des Programms, die Ausdehnung der Pflanzungen, die Obst- und Holzernten, die wirtschaftliche Entlohnung der Farmer:innen und die mit anderen Institutionen getroffenen Vereinbarungen. Wir haben Vertrauen bei den lokalen und nationalen Regierungen aufgebaut. Zudem die Sensibilisierung der Farmer:innen, die direkt oder indirekt an dem Programm teilnehmen.

 

Was waren einige Deiner schönsten Momente bei der Zusammenarbeit mit dem Projekt?

Elsa Gonzalez: Als ich die ersten gewerblichen Ernten von Mandagual sah und miterlebte, wie das Holz zu Holzhandwerk verarbeitet wurde. Die Gesichter der Farmer:innen zu sehen, als sie nach so vielen Jahren die Entlohnung für ihre Arbeit erhielten und die Zufriedenheit über die Erfüllung des Versprechens, den Farmer:innen ihr Holz abzukaufen. Sie sahen auch die Früchte ihrer Arbeit, die sie auf ihrem Grundstück geleistet hatten und sie sahen, dass es Hoffnung auf einen Wandel in der Gesellschaft gibt – sowohl in wirtschaftlicher, sozialer als auch kultureller Hinsicht.

 

Was erwartest Du für das Projekt in der Zukunft?

Elsa Gonzalez: Ich freue mich auf eine massive Ausweitung des Projekts auf das ganze Land und die Ausweitung unserer Arbeit auf andere Länder. Wir wollen sicherstellen, dass alle Farmer:innen, Familien und Kinder sich der Notwendigkeit bewusst sind, die Umwelt zu pflegen und zu schützen. Ich freue mich auch darauf, das Problem der Wiederaufforstung auf nationaler Ebene mit überprüfbaren und erreichbaren Ergebnissen gelöst zu haben, die Auswirkungen des Agrarsektors zu verringern und mit technologischen und wissenschaftlichen Fortschritten auf dem Gebiet der Wiederaufforstung weltweit anerkannt zu werden.